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Ausstellung der Studenten der staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart
vom 20.April bis 31.Mai 2009


Wir haben heute Abend 6 Künstler und Künstlerinnen aus der staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart eingeladen, damit sie ihre Werke uns hier präsentieren können. Ein paar Sätze dazu, wie wir zur Auswahl dieser Studenten gekommen sind. Jedes Jahr hat die Akademie im Juli eine Sommerausstellung an denen die Studenten 4 Tage lang ihre Werke ausstellen. Einige von unseren Mitgliedern haben diese Ausstellung letztes Jahr besucht und sich diese Studenten auf ihren Notizblöcken vermerkt. Eine Anfrage bei Ihnen hat sofort eine positive Resonanz ausgelöst. Das gemeinsame Abstimmungsgespräch hat zu dieser Ausstellung geführt. Für mich eine sehr gelungene und eindrucksvolle Auswahl von Bildern.

Robert Matthes wurde 1982 in Rodolstadt in Tübingen geboren. Nach seinem Abitur 2001 und seiner Zivildienstzeit fing er 2003 an der Akademie in Stuttgart an. Hier wendete er sich dem Studiengang Malerei zu. Neben seinen diversen Ausstellungen, an denen er sich bereits seit 2001 beteiligt hat, hängen übernommene Bilder von ihm im Bundesumweltministerium in Bonn sowie bei der Bank Ellwanger und Geiger in Stuttgart.
Er sagt zu seinen Arbeiten: Am Anfang meiner Arbeit steht die weiße Leinwand oder oft auch ein altes Bild, das bemalt oder übermalt wird und somit einen neuen Inhalt bekommt. Zeichen, Elemente und Figuren, teils frei oder als Vorlage, entstehen additiv, anfänglich ohne inhaltliche Vorüberlegung oder Kontext zueinander. Im fortlaufenden Arbeitsprozess konkretisieren sich zunehmend die Inhalte und verschmelzen mit formalen Aspekten. Die Anwesenheit von Menschen, Tieren wie auch vereinzelten Märchenelementen lassen in ihrer Kombination eine Atmosphäre von privater Mythologie entstehen. Symbole wie kopflose Stelzenläufer, aristokratische Kragenträger und eine Reihe von gefalteten Händen, die als offen liegende Wirbelsäule fungieren,verstärken dies noch zusätzlich. Durch das hinzufügen von Elementen wie unter anderem Telefonzellen, Fluchtschilder, Zelte und Schreibmaschinen gebe ich einen Einstieg über alltägliche Gegenstände. So entsteht eine Sprache der Logik, Intuition und des Instinkts. Erst nach und nach, durch weiteres Verdichten dieser Zeichen und Elemente, vermischen sich die Bildsprachkomponenten und es entstehen parallel verlaufende Geschichten alltäglicher Empfindungen und Situationen, mit träumerischen sowie teilweise alptraumhaften Schnittpunkten. In ihnen kann das „inoffizielle Ich“ eines jeden Betrachters auf Entdeckungsreise gehen. Diese Reise durch eine Vielzahl von Figuren und Elementen, die oft keine einfache Begehung des Bildraumes zulassen, ja teilweise so schwierig machen, das dem Betrachter ein Gefühl der Aufgabe befallen kann, verlangen häufig Spaß für das Entschlüsseln von Rätseln ab. Als ich Roland Matthes fragte, wann denn sein Bild fertig sei? Antwortete er mir, das hängt von seiner Stimmung ab. Manchmal hat er das Problem aufzuhören. Irgendwann gibt es dann einen Punkt, an dem Schluss ist. Es passt dann ist und sein Bild ist fertig. Schauen Sie sich dazu die 3 Bilder dort an.

Jan Pelz geboren 1984 in Filderstadt. Nach dem Abschluss am Gymnasium leistete er seinen Zivildienst bis 2003 ab. Danach folgte eine Ausbildung als Zierpflanzengärtner in der Wilhelma. In Schwäbisch Gmünd fing er an eine Vorliebe für Gedichte und Kurzgeschichten zu entwickeln. Später veröffentlichte er diese literarischen Werke. 2007 kam er zur Akademie und fing an in der Fachrichtung freie Malerei. Neben seinen vielen Aktivitäten, die er nebenbei noch machte gehören auch einige Ausstellungen.
Zu seinen Bildern hier auf der linken Seite sagt er: Ich selbst sehe mich in meiner Arbeit als Geschichtenerzähler; in meine Bildern möchte ich keine persönliche oder vorgefertigte Anschauung oder Weltsicht verpacken; ich möchte berichten und erzählen von Erlebnissen direkt aus meiner oder unserer Umgebung – oder eben auch von Begebenheiten, die im unendlichen Land der Phantasie stattfinden. Dieses Land ist für jeden zugänglich – ich werde mich hüten, es in meiner Bildersprache für mich selbst zu reservieren. Der Betrachter wird aufgefordert, sich selbst seiner Phantasie zu bedienen; es wird ihm eine kurze Sequenz aus einem Märchen der Phantasie gezeigt. Das Märchen muss jedoch vom Betrachter selbst erzählt werden. Den letzten Schritt bei einem Kunstwerk kann niemals der Künstler tun, dies kann nur der Betrachter. In dem kleinen Bild (entstanden aus Öl und Lack) sehen wir die realistische Landschaft und die abstrakten Figuren. Die Figuren sind für ihn nebensächlich. Das gibt zunächst keine Klärung und ist sogar ein Widerspruch, den der Betrachter selbst auflösen muss, so denkt der Jan Pelz darüber. Ein Bild muss zum Nachdenken und Überlegen anregen. Dann hat er sein Ziel erreicht. Dieses Bild hat schlicht keinen Titel.

Silva Brosig ist 1984 geboren in Ravensburg. Sie studierte zunächst französisch an der Universität Konstanz. Aber eigentlich hat sie sich immer zur Kunst hingezogen gefühlt. Seit 2006 ist sie an der Akademie und studiert Kunsterziehung an der Universität Stuttgart. In den Jahren 2004 bis 2008 nahm Sie an verschieden Ausstellungen teil und erhielt Auszeichnungen im Bereich des Schulkunst und bei der Stiftung Kunst und Recht. 2007 beteiligte sie sich auch an dem Projekt „Cicerone“ im Kunstmuseum Stuttgart. Hinter mir sind ihre Werke zu sehen. Wie schon beim Roland Matthes entwickelt sie ihre Bilder über einen längeren Zeitraum. Es kann passieren, dass sie Flächen bewegt oder freier macht, indem sie immer wieder Teile des Bildes übermalt. Das Bild „Retour“ entstand in einer Situation, in der sie einige persönliche Schwierigkeiten überwinden musste. Es ist in Öl und Acryl gemalt.
Sie selbst sagt zu ihren Arbeiten: In erster Linie beschäftige ich mich mit Malerei, wobei ich vorrangiges Interesse der Farbe und der Gleichbehandlung von Materialien gilt. Für mich gibt es keine qualitativ schlechteren Materialien, weil gerade in der Unqualität die Qualität liegt. Ich bin der Meinung, dass selbst größte Formate in ihrem Detailreichtum nicht anders zu bearbeiten sind als die kleinsten Malereien und Zeichnungen. Obwohl meine Bilder größtenteils ungegenständlich sind, werden manche Teile in ihrer Oberfläche gegenständlich. Der Zufall und Unfall spielt für mich eine große Rolle und so fordert ich ihn unbewusst bewusst heraus. Die meisten meiner Malereien würden im Querschnitt aussehen wie ein Steinbruch, an dem Zeit durch Gesteinsschichten sichtbar wird, weil ich so viele Schichten übereinander male. Schon während ich einen Teil eines Bildes in aufwändiger Kleinarbeit gestalte, weiß ich, dass von ihm vielleicht schon kurze Zeit später nur noch ein Minimum stehenbleiben wird. Selbst wenn ich von Anfang an wüsste, wo welche Farbe, welcher Strich, welche Struktur und welche Fläche sein sollte, möchte ich am Ende nicht ohne die „unsichtbaren Schichten“ arbeiten. Denn in ihnen liegt für mich der Wert, der es zum Ganzen werden lässt. So entsteht für mich die physische Tiefe.

Karin Brosa ist 1978 in Tettnang/Baden-Württemberg geboren. Sie fing 1997 ihr Studium der Pharmazie in Freiburg an und approbierte als Apothekerin 2003. Ihr Studium der Freien Graphik an der Akademie begann Sie im Oktober 2005. In den Jahren 2006 bis 2009 hatte sie sich schon an mehreren Ausstellungen beteiligt. Zu ihren Arbeiten gehört das große Bild und die 8 Radierungen. In dem großen Bild verbindet sie etwas Märchenhaftes - dem Rotkäppchen- mit einer Szene, aus dem Film Pulp-Fiction. Die beiden Darsteller John Travolta und Samuel Jackson werden durch die beiden Figuren dargestellt. Sie benutzen übrigens Papprevolver. Das Ganze wird so umgewandelt, dass es kulissenhaft wie auf einer Bühne wirkt. Das Bild wurde in Öl auf Nessel gemalt. In ihren Radierungen bildet sie gerne Absurdes, Sprichworte und Geschichten ab.
Zu ihren Arbeiten sagt sie: Ich beschäftige mich in meinen Arbeiten mit Radierung und Malerei. Meine Arbeiten können beschrieben werden als verspielt, ironisch, absurd, lustig und zugleich seltsam und dunkel. Die Grenzen zwischen Tier und Mensch, Realität und Märchen sind verschwommen. Mich interessieren vor allem ironische Szenen, die alltägliche Situationen kommentieren, übertreiben und vielleicht ein neues Licht auf bereits Gesehenes werfen. Ergänzt wird dies durch Elemente aus Literatur und Film, z.B. werden Sprichworte umformuliert und uminterpretiert, Klischees in Frage gestellt. Ich will Verhalten zeigen, das an Sinnlosigkeit grenzt und im Betrachter Fragen aufwirft, was die Figuren tun und warum, auf die es dann doch keine Antwort gibt. Geschichten werden begonnen und doch nicht zu Ende erzählt. Die Motive haben oft ihren Ursprung in vor Ort gezeichneten Figuren, kombiniert mit Erfundenem und dann verfremdet. Hochstände im Wald sind mit Kanzeln vertauscht, eine Badewanne steht auf der Lichtung, eine Pinocchio- Maske wird einem Menschen mit Ziegenkopf gereicht, die Sprechblase darüber bleibt weiß, weil das Gesagte auf der Bildebene dargestellt wird.

Jungmin Ryu geboren 1979 in Seoul in Südkorea. 3 Jahre war sie an der School of Art and Design. Nach Abschluß ging sie für 2 Jahre an die Hochschule für Bildende Künste nach Hamburg. Seit 2005 ist sie nun an der Akademie und erhielt in 2008 den Akademiepreis. Als erste Preisträgerin erhielt sie den Förderpreis für junge Künstler. Wie die oben genannten Künstler hat auch sie sich bereits auch an vielen Ausstellungen beteiligt. Die beiden längeren Bilder sind Fotografien von Birken, wie jeder sehen kann. Mit den Ausschnitten bildet sie asiatische Landschaften ab. Längeres Hinschauen gibt dem Betrachter auch diesen Eindruck. Eine fantastische Idee. Die Fotos wurden in Deutschland gemacht.
Was sagt sie zur ihrer Arbeiten: Die Fotografie ist für mich nicht nur das Festhalten optischer Phänomene oder deren ästhetische Abbildung. Der eigentliche Wert besteht darin, dass ich mich dabei auf meine innere Seite begebe. Fotografieren ist wie eine Reise zurück zu meiner wahren Identität. In „Die Landschaft in einem Baum“ wird nicht das Augenscheinliche, Alltägliche gezeigt, sondern eher ein Mosaikstein meiner inneren Welt, die durch die Kamera für die Außenwelt sichtbar wird.

Seunghee Hong ist 1979 in Seoul in Südkorea geboren. Sie hat dort 3 Jahre an der School of Art and Design studiert und ihr Studium abgeschlossen. Seit 2003 ist sie an der Akademie und erhält seit 2008 ein Akademie Stipendium. Ausgezeichent wurde sie bereits mit dem Preis der Fremde im Jahr 2008. Ebenso erhielt sie im gleichen Jahr den Preis für künstlerische Fotografie. Das sie sich an mehreren Ausstellungen beteiligte ist fast selbsterklärend. Die letzten beiden Fotos sind inszenierte Bilder. Also nicht mit einer Software auf dem PC bearbeitet. Diese Inszenierung ist sehr Aufwendig. Es wird mit Ton geformt, mit Gips modelliert und mit Polyester nachgearbeitet. So entstehen künstliche inszenierte Räume und Momente. Wenn man sich dieses Bild anschaut, fällt die besondere Kleiderleiste auf und beim genauen Hinschauen der bewegte Schirm, der durch einen inszenierten Windstoß entstand. Der Titel lautet Zwang zur Tiefe.
Sie sagt zu ihren Arbeiten: In „Der Zwang zur Tiefe“ bietet der Begriff „Tiefe“ dem Betrachter verschiedene Interpretationsmöglichkeiten an. Tiefe bezieht sich nicht nur auf räumliche Dimensionen, sondern auf die physischen inneren Bedeutungsebenen und Perspektiven. Als ich einmal ein Buch auf einem staubigen Schreibtisch in meinem Atelier in die Hand nahm, bemerkte ich die Spuren, die die vergangene Zeit wie ein Photogramm darauf hinterlassen hatte und wurde mir der Eigentümlichkeit und des Wesens der Dinge unmittelbar bewusst. Ich schaffe einen inszenierten Raum mit von mir ausgewählten Gegenständen, die meine Gefühle und Erinnerungen widerspiegeln. Um die Objekte herum wird eine künstlich eingeführte Schwerkraft verstärkt dargestellt, in der man bekannte Objekteigenschaften wie z.B. die Härte einer Wand oder eines Schreibtisches entfernt. Die dadurch entstehende versinkende Erscheinungen und die faltige Schwere der Objekte drücken unmittelbar und fast greifbar „den Zwang zur Tiefe“ aus.
Richard Böhmer, Vernissage am 22.April 2009



Robert Matthes: minutiös eskortiertes Spitzel, 200 x 140 cm

Jan Pelz: Die Irrlichter waren aus der Wanne gesprungen, 200 x 135 cm



Jan Pelz: Fällung des Pächters, 210 x 170 cm cm

Jan Pelz: The Shooter



Jan Pelz: Lagebesprechung

Jan Pelz: Vorhang und Schere



Jan Pelz: Die Assoziation

Jan Pelz: o.T.



Silvia Brosig: 119, 150 x 150 cm

Silvia Brosig: Retour, 200 x 200 cm



Karin Brosa: Fictitious Pulp, 160 x 220 cm

Karin Brosa: Park and Ride, 33,4 x 23 cm



Karin Brosa: Verschaukelt, 25,4 x 16,4 cm

Karin Brosa: Verleitert, 32,4 x 20,4 cm



Karin Brosa: Aufgebunden, 25,2 x 33,5 cm

Karin Brosa: Prozession, 33,4 x 24,4 cm



Karin Brosa: Bricklebrit, 14,9 x 24 cm

Karin Brosa: Arschflüchter, 14,9 x 19,9 cm



Karin Brosa: ohne Worte, 15,4 x 19,8 cm

Jungmin Ryu: Die Landschaft in einem Baum #1, 200 x 66 cm



Jungmin Ryu: Die Landschaft in einem Baum #2, 160 x 66 cm

Seunghee Hong: Der Zwang zur Tiefe #3, 108 x 150 cm



Seunghee Hong: Der Zwang zur Tiefe #1, 80 x 54 cm