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"art: verwandt ?"
Ausstellungvon Ute Kunze und Anne Münzel im Café Künstlerbund
vom 13.Dezember 2010 bis 15.Januar 2011



Guten Abend, meine Damen und Herren, liebe Freunde!
Selten bin ich so dankbar gewesen für meine schlichte Bitte um ein Fragezeichen. Hätte der Titel für diese Ausstellung dieses Fragezeichen nicht getragen stünde ich jetzt hier und müsste Gemeinsamkeiten an meinen versammelten Haaren herbeiziehen. So mache ich mich locker auf die Suche und kann notfalls die Frage mit „Nein“ beantworten.

Zur Vorgeschichte:
Bei der gemeinsamen „Stallwache“ anlässlich der Ausstellung in der Künstlergilde Buslat kamen sich Ute Kunze und Anne Münzel menschlich und in ihren Auffassungen über Kunst so nahe, dass sie sich zu dieser wahrlich spannungsreichen gemeinsamen Ausstellung entschlossen. Man hätte sich jetzt so richtig langweilig die Wände teilen können, Das haben aber zwei so fantasievolle Frauen einfach nicht nötig. Wenn schon unterschiedlich, dann wollen sie es auch zeigen und so hängen die Bilder denn bunt gemischt nebeneinander, mit einer gewissen farblichen Abstimmung, versteht sich.
Und gerade dieses Nebeneinander, so denke ich - erzeugt die Spannung, die die besondere und sehr dekorative Qualität dieser Ausstellung ausmacht.
Bitte erwarten Sie jetzt keine kunsthistorischen Zuordnungen von mir. Ich könnte das inzwischen längst, nehme mir aber die Freiheit, die Bilder als das zu nehmen, was ich sehe und Ihnen statt der „Schubladisierung“ meine eigenen Gedanken zu einigen der Bilder zu präsentieren. Das Eis ist bei dieser Form der Darstellung dünner, aber mir macht es so einfach mehr Spaß.
Kurz zu den Künstlerinnen, die Ihnen ja durchaus bekannt sind.
Ute Kunze kommt ursprünglich aus dem Kreis Dannenberg und lebt jetzt in Remshalden. Ihre künstlerische Ausbildung hat sie in Esslingen, Trier und bei Professor Schlegel erhalten. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich schon seit längerer Zeit mit einem zentralen Thema: ich möchte es einmal „Kunstbetrieb“ nennen. Menschen betrachten Kunst und Ute Kunze beobachtet diese Menschen, wie sie versinken, andächtig werden, sich in Positur setzen, schlendern. Die Kunst dient in ihren Bildern nur als Hintergrund. Sie malt den klassischen „Vernissagisten“, der wegen des Gesehen-Werdens und der Häppchen kommt – Kleinstädte!- ebenso wie den Menschen, der wirklich bereit ist, sich mit dem eigentlichen Mittelpunkt, dem Kunstwerk zu beschäftigen. Ihre Arbeiten sind immer gegenständlich, deutlich erkennbar, sie sind sehr verhalten in den Farben und zumeist in Acryl.

Anne Münzel hat es nach dem Besuch der Kunstschule in Bremen nach Stuttgart verschlagen. Nach einer längeren Familienpause hat sie zunächst wieder mit dem Aquarellieren begonnen, hat im Kreis Böblingen mit anderen Mitgliedern des Künstlerbundes die Gruppe der „Wassermaler“ gegründet und zahlreiche Ausstellungen bestritten, ist dann für mehrere Jahre in Korea und den USA gewesen und ist erst seit 5 Jahren wieder in Sindelfingen/Kreis Böblingen – und damit im Künstlerbund - gelandet. Sie malt vorwiegend in Acryl, seltener in Mischtechnik, ich kenne aber auch Collagen - und sogar Keramiken von ihr. Ihre Bilder sind offenkundig impulsiv, von ungehemmter Farbigkeit. Farben und Formen spielen die entscheidende Rolle in der Umsetzung der Themen, wobei sie die wesentliche Rolle der Farben ebenso betont wie ihre Lust am Experimentieren. Ihre Arbeiten wirken spontan aber nicht zufällig. Manchmal scheinen sie fast aggressiv, wenn man sie aber hier an den Wänden betrachtet und die direkte Nähe mit den Kunze’schen Arbeiten sieht, kann man konstatieren, dass diese sich durchaus behaupten können.

Pressemitteilung zur Ausstellung

Betrachtungsweise-n
Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm



Zarte Bande
Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm

Objekt im Focus
Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm



Expertisen im Visier
Acryl/Sand auf Leinwand, 80 x 100 cm

Nostalgie
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm



Via Konkret
Acryl auf Leinwand, 90 x 70 cm

Drei und Einer
Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm



Assoziation
Acryl/Sand auf Leinwand, 80 x 80 cm

Stelen
Acryl auf Leinwand, 90 x 20 cm


Lassen Sie mich ein paar Gedanken zu den Bildern der jeweiligen Künstlerinnen äußern und ich fange mit der Dreiergruppe von Ute Kunze an. Das Mittlere: ein in ein Bild versunkener Mann, älter schon, der sich andächtig vor ein Bild gesetzt hat. Ich behaupte, er hat das auch getan, weil da gerade ein so bequemer Sessel stand und ihm die Füße weh tun. Sein Blick aber gilt dem Bild, das ihn ganz offenbar auch interessiert, er wirkt gelassen, ruhig, seine Körpersprache spricht das klar aus. Was er ansieht ist nur angedeutet, etwas Modernes, vielleicht gar ein Foto, vielleicht Jazz wie in der Szene im linken Bild. Die junge Frau mit dem leicht verrutschten Rock ist in ihrer etwas gespannteren Haltung eher interessiert, jugendlich neugierig, vielleicht aber auch schon wieder „auf dem Sprung“. Um diese kleine Gruppe gibt es kaum etwas zu sehen, Ute Kunze bringt es fertig, die Gruppen nicht singulär zu stellen, aber die Umgebung so weit auszulöschen, dass man als Betrachter des Bildes sieht, dass da noch etwas ist, das Interesse aber nicht weiter abgelenkt wird. Der schwarze Sessel ganz links außen? Subtile Bildkomposition ist eine der Stärken von Ute Kunze. Wäre der Sessel nicht da, würde das Gleichgewicht des Bildes nicht stimmen. Ein spannendes Bild in seiner Reduziertheit, seinen Andeutungen, seiner feinen Beobachtung von Körperhaltungen.
Bei dem Bild links daneben nimmt das zu betrachtende Objekt eigentlich den wesentlichen Teil des Raumes ein, eine wilde Jazzszene? Aus den dreißiger Jahren? Amerika allemal! Ein Foto ? Oder doch das Arrangement eines Künstlers, der sich mit solcher Thematik befasst? Das jungen Pärchen hat es sich davor – naja – bequem gemacht. Sie sind die Sorte von Kunstbetrachtern, die ich besonders schätze, denn sie nehmen nicht nur stumm auf, sie unterhalten sich, tauschen wohl auch Meinungen aus, Und dass sie sich nebenbei ganz gut verstehen, naja, das ist nicht zu übersehen, denke ich. Die Licht-Schatten-Spiele, das Weglassen, die Reduktion auf das Wesentliche, hier finden wir sie wieder, die besonderen künstlerischen Merkmale der Ute Kunze. Und nun sehe ich mir den Galerieleiter an, der seine Ausstellung noch einmal betrachtet hat, bevor die Vernissagisten kommen. Smart ist er in seinem schwarzen Rollkragenpullover und den bürstig gestutzten Haaren, er ist mit sich zufrieden, darf sich auch leisten, sich auf eine der Skulpturen zu lehnen sind das vielleicht sogar seine eigenen Arbeiten? Jedenfalls kann es losgehen, die Welt kann kommen, er ist gerüstet. Zu meinen Freunden würde der nicht zählen. Zu smart, zu einfach gestrickt, wie die ausgestellten Arbeiten. Aber zweifellos ein ebenso typischer wie dekuvrierender Einblick in den von mir schon erwähnten „Kunstbetrieb.“ Ute Kunze, meine Damen und Herren, ist es gegeben, Dinge aufzudecken, ohne dass man ihr vorwerfen müsste, dass sie vorführt, Sie hält fest, vielleicht lächelnd, aber ohne mit dem Finger auf etwas zu zeigen oder den Betrachter zum Voyeur zu machen. Ihre zeichnerische Leistung ist bemerkenswert und die eher grafische Ausstrahlung ihrer Arbeiten, die aus der Ferne durchaus fotorealistisch wirken, ist frappierend. Keine Bilder, in die man hineinkriechen will, aber die den Betrachter amüsiert bis nachdenklich zurücklassen: so hatte man das auch immer schon gesehen. Kennt man doch alles.





Leuchtfeuer
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm

Fenster zum Meer
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm



Erleuchtet
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm

Erneuerung
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm




Wasserwelter
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm

Wandzeitung
Acryl, Collage auf Leinwand, 80 x 100 cm



Unter Palmen
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm

Drachenfisch
Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm




Strukturreform
Acryl auf Leinwand, 100 x 120 cm

Version #4 in Blau
Acryl auf Leinwand, 120 x 120 cm



Drachenflieger
Acryl auf Leinwand, 60 x 80 cm

Implosion
Acryl auf Leinwand, 100 x 120 cm


Bei meiner kleinen Schwester Anne Münzel: - nein, wir sind nicht verwandt, aber man fragt uns gelegentlich danach, warum auch immer.- kann man wahrlich von verhaltener Farbigkeit nicht sprechen. Ihre Bilder strotzen von Farben voller Leuchtkraft und bis auf die eine Hand, die ich später spintisierend zu deuten versuchen will, gibt es in ihren Bildern nur selten Gegenständliches. Wie schon gesagt bevorzugt sie klare Farben und in immer zunehmendem Maß auch klare Formen, die sie gegeneinander setzt. Spontan entstehen ihre Bilder, sagt die Künstlerin selbst und man nimmt ihr ab, dass diese Bilder weder Kalkül sind noch aus einem Zufall heraus entstehen, wie man das – schon seit Jackson Polock – ja auch erlebt. Selbst ein monochromes Bild, wie die Sinfonie in Blau in der Mitte der Gruppe ist spannend anzusehen, es fröstelt mich trotz dieser kühlen Farbe nicht und ich kann es mir als Mittelpunkt eines Raumes vorstellen. Die unterschiedlichen Texturen innerhalb der Hauptfarben ziehen mich als Betrachter in das Bild hinein, - ich will ja wissen, warum, ohne die kühle, ruhige Ausstrahlung dieses Bildes zu unterdrücken. Emotional anfeuernd wirkt auf mich das Bild rechts daneben. Ein merkwürdiges, märchenhaft flackerndes Licht in der oberen rechten Ecke. Vielleicht die Reflektion dieses Lichtes in der hellen, glühenden Mitte, die irrlichternden roten Farbflächen, die begrenzenden blauen Flächen, all das macht mir dieses Bild zu einem interessanten Erlebnis, erinnert mich an Kirchenfenster, die von der Sonne angestrahlt ihr Licht in einen Kirchenraum werfen, an Sommerblumenwiesen, an die erstaunliche Farbigkeit in den Schaufenstern der „Pompes Funebres“ in Frankreich, die einen – kurioserweise – ebenso anlachen, wie mich dieses Bild anlacht. Unnötig zu erwähnen, dass die Texturen innerhalb der Farbflächen eine Leichtigkeit erzeugen, die man bei Acrylbildern gar nicht so häufig sieht.
Kommen wir zu meiner größten Herausforderung: der Hand! Ein volles Bild mit vielen Elementen, mit einem spannenden Bruch in der Bildmitte, (könnte Glas sein) und einer Hand, die nach rechts weist und irgendwie offenbar menschenlos im Nichts endet. Farblich einmal mehr sehr expressiv, beeindruckend auch in seiner Vielfalt der Elemente, ein aufregendes Bild, das man eine gute Weile zu entschlüsseln versuchen kann. Ich muss dazu vielleicht erläutern, dass ich die Bilder beim Schreiben und Nachdenken als Fotos zur Verfügung habe und eigentlich meine Assoziationen und Gedankenflüge nicht durch Bildtitel bremsen möchte. Drachenfisch, erläutert Anne mir anlässlich eines Telefonats, und ich stehe genau so da, wie vorher. Ich kenne keinen Drachenfisch persönlich, weiß aber, dass ich ein solches Bild gern an der Wand sähe, wenn ich in Lethargie zu versinken drohte. Das Bild ist aufregend, anregend.
Kommen wir zum Schluss! Mir gefällt diese Ausstellung! Wegen ihrer Gegensätze, wegen der nachdenklichen Art, mit der die beiden Künstlerinnen mit ihren Sujets umgehen, und wegen der hochdekorativen Wirkung, die die Arbeiten beider Künstlerinnen haben. Die eher spontane Expressivität der Bilder von Anne Münzel könnte man als eine Facette eines Ganzen sehen, das durch die nachdenkliche Impressionen verarbeitende Bilderwelt von Ute Kunze wunderbar ergänzt wird. Art:verwandt? Ich bin immer noch froh über das Fragezeichen, freue mich über den schönen Titel und konstatiere vorsichtig: eigentlich eher nicht!

Eröffnungsrede von Lydia Jantzen-Philipp