"WABI - SABI"

Ausstellung unserer neuen Mitglieder im Café Künstlerbund
vom 6.Februar bis 10.März 2012



Schon mehrmals wurde ich gefragt, was ist eigentlich Wabi-Sabi? Leonard Koren beschreibt in seinem Buch "Wabi-Sabi als japanische Ästhetik": "Diese Wortverbindung verwendet man in Japan, um eine ganz bestimmte Schönheit zu beschreiben, die sich durch Schlichtheit, Einfachheit und Selbstgenügsamkeit auszeichnet. Es geht zu Gunsten innerer Werte mit Verzicht auf äußeren Prunk". Wabi-Sabi lädt dazu ein, kleine Dinge neu zu entdecken und die Harmonie des Unscheinbaren in der Natur zu empfinden. Wabi-Sabi lenkt den Blick auf das Werden und Vergehen in allem und findet die innere Schönheit im äußerlich Unvollendeten, Flüchtigen, Vergänglichen. Die melancholische Stimmung eines Regentages, Patina auf Kupfernen Gegenständen, Rost auf einer Eisenplatte, Lachfalten im wettergegerbten Gesicht, eine bewusste Verlangsamung im Lebensrhythmus des Menschen....das alles ist Wabi-Sabi. Diese Kunstphilosophie stellt einen natürlichen Gegenpol zur digitalisierten, unbegrenzt reproduzierbaren Hochglanz-Ästhetik der heutigen von Kommerz und Computertechnologie bestimmten Zeit dar.
Unsere vier neuen Künstler, die im letztem Jahr im November zu uns gekommen sind, stellen ihre Variationen von Wabi-Sabi vor.
Alle Dinge sind vergänglich. Alle Dinge sind unvollkommen. Alle Dinge sind unvollständig.

Pressemitteilung zur Ausstellung




Karin Mozbeichel:


Der Tanz
Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm




Am Trapez
Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm



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Sind wir jetzt dran ?
Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm




Auf 4 Flaschen
Acryl auf Leinwand, 120 x 60 cm




Clown mit Hund
Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm

Karin Mozbeichel ist in Würmlingen bei Tutlingen geboren und in Augsburg aufgewachsen. Eine Ausbildung hatte sie als Damenschneiderin mit speziellen Zeichenkursen im Modedesign. Seit 1997 beschäftigte sie sich intensiv mit der Malerei und besuchte Kurse und Seminare in der Aquarelltechnik. Später folgten Kurse in der Acryl-, Gouache- und Eitempera-Technik. Es folgte an der VHS Böblingen das Werkstatt-Jahr „bildende Kunst“ 2001 mit den Schwerpunkten: Malerei, Druckgrafik, Zeichnen, plastisches Gestalten und Kunstgeschichte. Sie ist in mehreren Kunstvereinen und leitete davon den „Ehninger Kunstkreis“ 5 Jahre lang. Form und Farbe sind ihre große Leidenschaft, je nach Motiv setzt sie ihre Bilder in Aquarell- oder Acrylmalerei um. Auch Holzschnitte und Radierungen gehören zu ihrer Faszination.
Seit ihrer Kindheit hat Karin Mozbeichel eine gewisse Zuneigung für den Zirkus. Der Zirkus ist eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Sprichwort sagt: Im Zirkus ist alles möglich! Und das zeigt sich auch in den Zirkusdisziplinen. Ob es z.B. Akrobatik, Jonglieren oder Tierdressur ist, es kann alles ausprobiert werden, bis zu den Grenzen des Möglichen. Das ist die Welt von Karin Mozbeichel. Die kurze Zeit der Vorführungen zeigen eine Traumwelt der Leichtigkeit. Wenn z.B. in totaler Stille die Akrobaten ihre künstlerischen Darbietungen zeigen. Sie weiß die harte Disziplin, die vorbereitenden Arbeiten und das erforderliche Training zu schätzen. Genau das ist ihre Welt, in der sie sich wohl fühlt und Emotionen empfängt. Momente kann sie nicht auf Skizzenblöcke festhalten, sondern versucht kurze Momente mit ihrem Fotoapparat einzufangen und als Basis für ihre Arbeiten mitzunehmen. Sie kann ihre Beobachtungen nicht beschreiben, sondern nur mit Bildern ausdrücken. Die Welt des Zirkus hat seine Melancholie, seine Magie und seine Ordnung. Diese Eigenschaften stoßen die Künstlerin zu immer neuen Arbeiten an. Sie hat jahrelang Bücher, Zeitungsartikel und Fotos gesammelt und war der Meinung, daß dieses Thema zum Malen zu naiv wäre. Heute ist ihr dieses Thema so wichtig, dass sie den Mut gefunden hat, den Zikus auf Leinwand zu bannen. Die Entstehung dieser Bilder ist für sie wie der Aufenthalt auf einer Insel des Friedens und der Entspannung in unserer hektischen Zeit.
Das Titelbild zeigt eine Gruppe von Lamas, die in ständiger Bereitschaft stehen, um ihre Übungen durchzuführen. Voller Konzentration warten sie auf ihren Auftritt. Schon ein kleines Zeichen registrieren sie und reißen die Köpfe mit einem Ruck herum. Genau solche Momente hält Karin Mozbeichel in ihren Bildern fest. Der Titel lautet: „Sind wir jetzt dran“. Wenn ich recht informiert bin, ist dieses Bild bereits verkauft und hängt als Leihgabe hier aus.




Ozeanblau:




3 Characters (übers., engl.: "3 charaktere")
Acryl auf Leinwand, je 70 x 70 cm




nell-sodade (übers., kap verdisch: "nell - tiefste sehnsucht")
Acryl auf Leinwand, 80 x 120 cm




below surface (übers., engl.: "unter der oberfläche")
Acryl auf Leinwand, 120 x 180 cm




talking to belboy (übers., engl.: "unterhaltung mit belboy")
Acryl auf Leinwand, 120 x 180 cm




female warrior (übers., engl.: "kriegerin")
Acryl auf Leinwand, 100 x 160 cm




meduses I (übers., franz.: "quallen I")
Acryl auf Leinwand, 100 x 120 cm




she (übers., engl.: "sie")
Acryl auf Leinwand, 80 x 120 cm




mare, roxu, berdi (übers., kap verdisch: "meer, rot, grün")
Acryl auf Leinwand, 100 x 120 cm

Michelle Fegert ist in Baltimore USA geboren. Nach dem Kunst-Studium in Frankfurt mit Schwerpunkt Bildhauerei und Design begann sie ihre künstlerische Laufbahn mit Bildhauerei und Objektkunst. Hierbei benutzte sie die verschiedensten Materialien, wie Holz, Stein, Bronze und Stoffe. 1992 gewann sie den von Bosch ausgeschrieben Kunstnachwuchs-Förderpreis der Objektkunst. Ein Jahr später änderte sie ihren Schwerpunkt in der Kunst und ging zur Malerei – Acryl auf Leinwand. Ab 1994 ist Michelle Fegert als Kunstpädagogin in Frankfurt und Stuttgart tätig, wobei sie sich insbesondere mit verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen beschäftigte. Seit 2008 ist sie ausschließlich Freischaffende Künstlerin in Illingen. Eine „Eigenheit“ hat sie als Künstlerin – sie nennt sich OZEANBLAU. Auf der Einladungskarte haben sie sicherlich das auch bereits bemerkt. Dieser Künstlername mag auf den ersten Blick wie ein „Spleen“ wirken. Er dient ihr als ein Schutzraum und gibt ihr damit ungeheure Freiheit. Es ist ein kreativer Schutz, den sie benötigt, um künstlerisch wirken zu können. Sie schützt sich damit vor Übergriffen auf ihr Innerstes, was in ihren Werken Sprache und Form bekommt. Künstlerisch tätig zu sein, bedeutet für sie ein Stück von ihrem Inneren preiszugeben. Ihr neuer Name – Ozeanblau - gibt ihr hierbei eine Art Zuflucht, den sie braucht. Sie als Provokateurin ist eine sehr zerbrechliche Gestalt. Der Name, der ihr von ihren Eltern, damit von der Gesellschaft, gegeben wurde, stellt ein Stück gesellschaftliche „Standortbestimmung“ dar. Sie hat sich den Namen Ozeanblau gegeben, um genau dieser gesellschaftlichen Fixierung zu entkommen.
Ihre ganze Leidenschaft gehört dem Ozean – unsere Weltmeere. Sie als Mensch spiegelt sich in den Farben, in der Sanftheit, in der Rauheit, im sich ständig wandelnden Sein des Meeres wieder. Sie sagt: Wenn sie in das Gesicht des Gegenüber schaut, erkennt sie einen Teil von sich. Schaut sie dem Ozean ins Gesicht, erkennt sie auch einen Teil von sich. Genaues Hinsehen, empathisches Erfühlen, forschendes Suchen kann ein wenig Verstehen ermöglichen ...aber nur einen ganz kleinen Moment lang... denn schon im nächsten Moment ist das bereits Verstandene nicht mehr ganz wahr. Auf vielfältigsten Reisen rund um den Globus, versucht sie, so oft wie nur irgend möglich, das „Wellentreiben“ hautnah zu erleben. Zurück im Atelier, im Illinger Binnenland, komponiert sie ihre Bilder aus den verschiedensten Reiseimpressionen. Ihre Notizen setzen sich aus Bauchgefühl, Fotografien, Zeichnungen und Niedergeschriebenem zusammen. Sie braucht ihr Atelier, um nicht befangen von ihren Eindrücken zu sein, sondern in Ruhe mit Distanz vielleicht auch bei Dunkelheit ihre Gedanken umzusetzen. Nebenbei: Ihre zweite Wahlheimat und Schaffensort sind die Kap Verdischen Inseln von Afrika.
Ein anderes Objekt ihres Interesses ist der Mensch – hier besonders das Porträt. Als Titelbild wählte sie eines dieser 3 Porträt-Bilder aus. Aufgrund von Fotos interessierte sie sich für diese 3 Angolanerinnen. 3 Frauen, die eine sehr interessante Biografie aufweisen. Sie schrieb diese Damen an und erhielt eine Antwort. So entwickelte sich ein Kontakt zu diesen Persönlichkeiten, die sehr aktiv und engagiert politische Projekte durchführen. Persönliche Eindrücke und Beobachtungen setzte sie in diesen Bildern um. Wenn man ihre Arbeiten betrachtet, so sind sie eine Liebeserklärung an das Leben, an den Ozean und an den Menschen.




Karlheinz Stoklas:


Feuernägel
Pastell/Holz




Kreidefelsen
Pastell/Pressspan




Ausblick/Gotland
Pastell/Sperrholz




Blauheit
Pastell/Sperrholz




An der Ostsee
Pastell/Sperrholz




Faltwerk 2
Wellpappe/Stahlblech

Karlheinz Stoklas ist in Teplitz-Schönau/Sudetenland geboren. Schon als Jugendlicher malte er in den Ferien in Südfrankreich Bilder mit Kreide. Später vertiefte er sein Wissen in der Kreide-Technik. In Stuttgart studierte er Architektur an der Staatsbauschule und an der Universität. Überall hat er sein Malwerkzeug, wie Zeichenblock und Kreide dabei. Seit 1968 beteiligte er sich dann an diversen Ausstellungen mit Bildern und Objekten. Wie schon angesprochen, möchte er mit Kreide die Welt in seinen schönsten Facetten abbilden. Landschaften gehören zu seinen Lieblingsthemen, die er auch hier ausstellt. Er hat eine Vorliebe für kräftige Farben. Er möchte einfach die Farbigkeit der Natur sichtbar machen. Das Titelbild heißt „Ausblick/Gotland“ und wurde an einem sehr sonnigen Tag gemalt. Über die Jahre machte er seine Erfahrungen mit den verschiedenen Arten von Kreide. Manche verloren ihre Lichtechtheit. Auch verschiedenartige Materialien wurde ausprobiert, bis er nur noch auf Holz malt. Das ist für ihn die beständigste Lösung und Kombination für seine Werke. Adolf Hölzel war ein Maler, von dem Karlheinz Stoklas Impulse für seine Arbeiten bekommen hat. Dazu gehören die abstrakten und bunten Farbflächen der gestaltenden Malerei von Adolf Hölzel. Chagall war auch einer seiner Lieblingsmaler, die das Farbenspiel bis zum Äußersten grandios ausgereizt haben. Karlheinz Stoklas möchte die Wirklichkeit intensiver darstellen, was auch eine Änderungen der Farben bedeutet. Mit Schock-Farben – das sind Farben, die eine starke Leuchtkraft ausstrahlen - hat er sich eine Zeit lang auseinander gesetzt, in dem er sie wirkungsvoll für Plakate einsetzte. Neben der Malerei hat sich versucht, aus dem 2-dimenionalen Raum des Tafelbildes in die 3. Dimension mit Objekten und Faltwerken vorzustoßen. Hierbei hat er den Aspekt berücksichtigt, das Kunstwerk so zu gestalten, dass dieses in gewissen Grenzen veränderbar bleibt. Dies ermöglicht dem Betrachter selbst eine ständige Verwandlung des Kunstwerkes aktiv vorzunehmen. Das sind die Kunstwerke hier auf dieser Seite. Die großen Nägel können sie drehen und so lange verändern, bis sie dem Betrachter am besten gefallen. Das rechte Falt-Objekt ist an Magneten befestigt und kann auch in gewissen Grenzen verformt werden. Der Betrachter soll tätig werden. Hier handelt Karlheinz Stoklas nach dem Zitat von Beuys: „Jeder Mensch ist ein Träger von Fähigkeiten, ein sich selbst bestimmendes Wesen, der Souverän schlechthin in unserer Zeit. Er ist ein Künstler, ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder Landwirt. Da, wo er seine Fähigkeiten entfaltet, ist er Künstler.“.




Ulrich Kälberer:


Schlechte Zeiten (Ludwigsburg)
Gouche, 100 x 70 cm




Forschungslabor (Stuttgart)
Acryl, 100 x 70 cm




Im Bauch des Walfischs /Russian Submarine (Sidney)
Acryl, 100 x 70 cm




Kein Anschluss (Skopje)
Gouache, 100 x 70 cm




Transit Passenger
Gouache, 100 x 70 cm

Ulrich Kälberer ist in Hannover geboren und studierte Elektrotechnik an der Universität Stuttgart. 1990 war er Gasthörer an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Darüber hinaus besuchte er weitere Lehrveranstaltungen im Fachbereich Kunst in Ludwigsburg. Seine Vorliebe gilt der Acryl- und Gouache Technik. 2002 erhielt den 2. Platz bei einem Wettbewerb in den USA. Die Vergänglichkeit wird in seinen Arbeiten schon in der Auswahl von verfallenen Abbruchhäusern, verrotteten Industrie-landschaften oder einsamen Regennächten deutlich. Das Vanitasmotiv wird neu aufgegriffen und in Kontext der Zeit frisch gedeutet. Zur Erklärung von Vanitasmotiven: Vanitasmotive zeigen, dass der Mensch keine Gewalt über das Leben hat. Am auffälligsten sind solche Bilder, die das Vergangene und das Vergehende abbilden. Die dargestellten Szenen sind in geheimnisvolles Licht getaucht, die mit ihrer Leere an den Stil der pittura metafisica in den 20erJahren des vergangenen Jahrhunderts erinnern. Als Charakteristik der Pittura Metafisica kann gelten, dass das Übersinnliche, das nur in Denkansätzen zu Erkennende und das über die Sinnenwelt hinaus liegende Geistige, das Transzendente, zu einem bildnerischen System erhoben wird. Die Bildinhaltsfolgen liegen dabei oft jenseits des sinnlich Erfahrbaren und eine zweite geheimnisvolle Wirklichkeit verbirgt sich hinter den sichtbaren Dingen. Ulrich Kälberer zeigt in den verlassenen, düsteren Räumen die Zeichen morbider Brüchigkeit unverkennbar, nur die zurückbleibenden Gerätschaften halten die Stellung. Dieser skeptischen Sichtweise wird die Hoffnung gegenübergestellt, daß in einem größeren Kontext ein „Trotzdem“ gelingt, das jedoch nicht aus sich selbst heraus erschaffen werden kann, sondern empfangen wird. Einschränkend muss gesagt werden, das Wesentliche bleibt größtenteils verborgen, nur ansatzweise und bruchstückhaft durchscheinend ist es darstellbar, gemäß der Kunst wie sie interpretiert wird. Die Bilder dieser Ausstellung geben dadurch Ausschnitte einer Wirklichkeit wieder, die sich nur unangemessen durch Formeln oder Programmkonstrukte erfassen lassen. Seine Bilder haben keine Zielsetzung, sondern können evtl. als Gesprächsbeitrag dienen. Seine Eindrücke sammelt er auf Dienstreisen als Teilskizzen oder auch Fotografien. So entstand das Bild in der Mitte mit dem Bahnübergang auf dem Weg nach Polen. Er war sehr hungrig und entdeckte eine allein stehende Hähnchengrillbude genau gegenüber von diesem Bahnübergang. Beim Essen nahm er diese Beobachtung auf und so entstand dieses skurrile Werk. Anstöße bekam Ulrich Kälberer durch den Maler Paul Delvaux Delvaux, ein belgischer Maler, begann das Zeichnen mit mythologischen Szenen und entwickelte es zu einem magischen Realismus. Ansätze davon findet man hier bei den Bildern von Ulrich Kälberer wieder. Frida Kahlo sagte mal über den Surrealismus: „Man hielt mich für eine Surrealistin. Das ist nicht richtig. Ich habe niemals Träume gemalt. Was ich dargestellt habe, war meine Wirklichkeit.“

Rede von Richard Böhmer an der Vernissage am 8.Februar 2012